Geschichte:


Auf Spurensuche: das Bild vom 2. Burgmannshof im Jahre 1977


Der sogenannte 2. Burgmannshof sollte 1559 von Dr. jur. Georg Bartold Ostmann,
dem höchsten Beamten Erichs II. erbaut worden sein. Der Anbau galt als späterer wertloser Zusatz.
Als Quelle für diese Information hatte uns der Stradtdirektor eine Lehensbriefabschrift, die Stadtgeschichte von Lechte und ein Gutachten der TU Berlin genannt. 1960 hatten Rat und Verwaltung der Stadt Hardegsen einstimmig den Abbruch beschlossen. Das Vorhaben wurde 1962 durch den damaligen Landeskonservator Prof. Engel gestoppt. Bis 1977 fand sich kein ernsthafter Interessent, der bereit gewesen wäre, die Stadt im Sinne des Denkmalschutzes von der Last des maroden Bauwerkes zu befreien.

Hardegsen bei Göttingen
Letzner: Hardegsen im 16. Jahrhundert

Ritterstand und Burgmannentum waren eine Institution des mittelalterlichen Lehenswesens. Folglich konnte es nicht stimmen, daß ein Beamter im 16. Jhdt. einen Burgmannshof erbaut haben sollte. Das Gebäude mußte älter sein. War es nicht der vom alten Chronisten Letzner erwähnte Reckenhof, und war die Bautätigkeit des Dr. Ostmann nicht die eines Erbauers, sondern Restaurators? Wenn auch von all dem, was wir heute nach der Restaurierung bewundern können, kaum etwas sichtbar war, Detail fügte sich zu Detail und brachte das alte Bild ins Wanken. Da waren Zeichen zahlreicher Umbauten erkennbar, feinste Steinmetzarbeiten lugten bruchstückhaft hervor. Der Kreuzgewölbekeller im Hauptgebäude barg einen gotischem Kamin, der Raum darüber einen mit der Jahreszahl 1561 versehenen Renaisance-Kamin (bislang 1565 gelesen). Es lag auf der Hand: hier stießen zwei große Epochen aufeinander, aber die Baugeschichte mußte noch weit komplexer sein. Am Zusammenschluß der beiden Gebäude verdecken die Mauern des Hauptgebäudes Teile der alten Portale des sog. Anbaus. Das ließ nur einen Schluß zu: das Hauptgebäude war an das Nebengebäude angebaut, nicht umgekehrt. War der sog. Anbau in Wahrheit der älteste Gebäudeteil, kein später Zusatz aus der Zeit nach der Renaisance, wie die Fachleute behauptet hatten?


Das ältere Torgebäude und das Hauptgebäude rechts


Das neue Bild vom Burgmannshof


Die Herren von Rosdorf sind 1266 als Herren einer ältesten Hardegser Burg bezeugt.
1292 erbauten sie den sog. ersten Burgmannshof, der seit 1294 gemäß urkundlicher Bezeugung als Burglehen
im Besitz derer von Ruma war. Dieser Burgmannshof weist in seinen alten Bestandteilen,
im Keller und den aus alten Quadern errichteten Außenmauern keine sichtbaren Steinmetzzeichen auf,
wie ich sehr bald erkundete. In unserem Hauptgebäude hingegen entdeckten wir zahlreiche Steinmetzzeichen,
die auch am Muthaus zu finden sind. Folglich ist unser Burgmannshof auf die Zeit zwischen Ruma-Burgmannshof
und Muthaus von 1324 zu datieren, also auf die Zeit um 1300 oder aber geringe Zeit nach dem Muthausbau.

Da sich unser sog. Anbau im Innern durch einen mächtigen Spitzbogen im Westen, jetzt abgebrochen durch das Renaissance-Obergeschoß, und einen mächtigen Torsturz im Osten als Torgebäude, als ein Außentor, ausweist, ist davon auszugehen, daß die Burgmannen als Verteidiger der Burg im 13. Jhdt. vor der Errichtung des 1. Burgmannshofes in diesem zur ältesten Burg gehörenden Torgebäude ihrer Aufgabe nachkamen. Dies dürfte auch die Erklärung für eine bislang nicht verstandene Aussage von Domeier sein (Topographie der Stadt Hardegsen, 1813): Er sagt von unserem Hof, den er als Allodium einstuft, der also ursprünglich Eigenbesitz war: »da er nachmals von der Burg abgerissen wurde« (d.h. getrennt wurde).


Inzwischen besitzen wir Kopien zweier Originalbriefe der Burgmannen unsere Hofes namens Recke. Diese Briefe beurkunden, daß die Burgmannen Recke nach dem Tod der Herzogin Margarete 1442 ihr Burglehen an die Stadt Hardegsen verpfändeten und es vor dem Tod des schwerkranken Herzogs Otto Cocles zurückkaufen wollten. Der Grund ist offensichtlich: Der neue Herzog Wilhelm der Jüngere machte Hardegsen wieder zur Residenz. Diese Briefe beweisen damit endgültig, daß unser Burgmannshof der alte Reckenhof ist. Urkundlich bezeugt ist, daß die Rosdorfer 1290 ihren wertvollsten Zugewinn mit dem Erwerb der Burg Moringen tätigten. Dort waren die Recken als Burgmannen nach Ausweis der Urkunden beheimatet. So gewinnt der alte Letzner mit seiner Chronik an Glaubwürdigkeit. Als der letzte Reckhorst, nach Letzner Besitzer unseres Burgmannshofes, ohne männlichen Erben starb, heiratete seine Tochter 1402 einen der Moringer Recken, und seither ist unser Burgmannshof der Reckenhof, bis der letzte Recke 1526 starb. In den Kämpfen der Reformationszeit wurde der Burgmannshof teilzerstört und von Dr. Ostmann seit 1559 im Stile der Frührenaissance aufwendig wieder restauriert. Die Besitzverhältnisse von 1526 bis 1559 sind unklar. Desgleichen bezeugen Schriftstücke erbitterte Kämpfe um den Hof nach dem Tode von Dr. Ostmann.

 

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